BjoernSunshine
Hustlaball, Sex-Dance und Berghain Berlin
Mitte Oktober riecht Berlin nach Sex. Die Sexmesse Venus lässt den Heten das Wasser im Mund zusammen laufen, und die Gays freuen sich auf den Hustlaball. Diese jährliche Megaparty ist nicht nur eine Show, wo Pornostars auf der Bühne stehen, sondern vor allem auch eine Party, an der die geilsten Jungs ausgelassen miteinander feiern. Dieses Jahr fand der Hustlaball in einer alten Münzfabrik statt. Im Gegensatz zum letzten Jahr im psychedelisch gestalteten KitKatClub mit vielen Dancefloors, Chillouts, Bars, Pool und Bühnen, enttäuschte uns jedoch die grosse, kühle Fabrikhalle. Dass grossen Räumen mit weissen Wänden die Atmosphäre fehlt, wissen Zürcher Party-Animals spätestens seit dem unbeliebten Laby-Hohlstrasse. Die Open-Air-Area war bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt keine wirkliche Attraktion und die diversen abgesperrten VIP-Areas für Möchtegern-Promis mit teurerem Ticket machten auch nicht gerade Laune. Als sich dann aber die Halle mit heissen und freizügigen Typen füllte, hatten wir bald die Mängel des Lokals vergessen. Die Shows auf der Bühne beeindruckten uns weniger als der Umstand, dass man hier wieder mal mitten auf dem Dancefloor all die schönen, schwulen Dinge tun konnte, für die man im prüden Zürich normalerweise sofort aus dem Club geschmissen oder zumindest hinter einen blickdichten Vorhang zitiert wird. Unter Berliner Pornostars hat jedoch niemand Hemmungen zuzugeben, dass Sex mitten auf der Tanzfläche viel geiler ist, als irgendwo in einer dunklen Ecke. Natürlich gab es auch am Hustlaball ein dunkles Kellerlabyrinth. Aber dafür fliegt man nicht extra nach Berlin.
Sex-Dance heisst die Gay-Party, die einmal im Monat im Fate-Club Berlin statt findet. Das Konzept ist eine ungewohnt nahtlose Kombination aus Tanz und Sex ohne die sonst üblichen sozialen Barrieren. Sex-Dance ist bekannt für eine strenge Türpolitik, die nur gut gebaute Männer rein lässt, und was am Samstag nach dem Hustlaball dort zu sehen war, stellte wirklich einen deutlich attraktiveren Durchschnitt der schwulen Szene dar, als man ihn andernorts gewohnt ist. Genauso streng wie die Tür ist der Dresscode: Underwear, Sportshorts, Harness oder nackt - auf jeden Fall oben ohne und keine Jeans. Bei so viel nackter Haut fühlt sich die Musik ganz anders an, und es kommt auch gleich eine prickelnde Stimmung auf. Um die Erotik noch mehr anzuheizen, tanzten am Hustlaball-Sex-Dance die drei Youngster-Pornolabels Erocreations, Sprizz und Sk8erboy mit. Wer Filmstar und wer nur Tourist war, das war oft kaum zu unterscheiden. Früher oder später waren jedenfalls die meisten nackt und liessen ihren Fantasien freien Lauf. Egal, ob auf dem Dancefloor, auf der Bühne, in der dunklen Ecke, vor der Bar oder auf der Galerie. Guter Sound und Schwänze à discrétion. So macht schwul feiern wirklich Spass, und man kann sich kaum noch vorstellen, warum woanders beim Tanzen nicht gewichst, geblasen und gevögelt wird! Doch obwohl Sex-Dance als Party inklusive After-Hour beworben war, brachen viele Berliner schon kurz vor 5 zu neuen Ufern auf.
Im Berghain gehe nun die Party weiter, sagte man uns. Also suchten wir uns ein Taxi in Richtung des berühmt berüchtigten Megaclubs in einem alten stalinistischen Heizkraftwerk. Das berüchtigtste am Berghain sind die Türsteher, die angeblich ohne nachvollziehbare Gründe die gleichen Leute einmal rein lassen und ein anderes Mal nach 3/4 Stunden Schlange stehen diskussionslos abweisen. Um 7 Uhr morgens war die Schlange nur noch kurz und wir kamen unbehelligt rein. Dass aber selbst um 7 noch Warten angesagt ist, liegt jedoch weniger am Andrang als an der Arbeitsmoral der Garderobentussi, die viel lieber endlos palavert als Jacken aufzuhängen. Das Clublokal in der riesigen Industriehalle mit den überdimensionalen Funktion-One-Lautsprechersystemen ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Allerdings täte einigen Leuten im Personal etwas weniger Nasenpuder auch nicht schlecht. Doch offensichtlich trifft genau diese Behandlung von oben herab die devote Ader vieler Berliner Gays, die sich brav und unterwürfig jeden Samstag in die Schlange stellen, um nach einer Stunde im Regen das Urteil des Allmächtigen ehrfürchtig in Empfang zu nehmen. Generell habe ich nichts gegen Türsteher - als das Laby noch eine strenge Türe hatte, waren die Partys dort am besten - aber die Entscheidungen sollten schon irgendwie nachvollziehbar und nicht gerade willkürlich sein. Wie gesagt: Die Halle ist toll. Das Soundsystem auch. Und es ist extrem laut und die Musik oft auch so hart wie der Stahl und Beton, der das Ambiente bestimmt. Ob das Berghain wirklich der "beste Club der Welt" ist? Schwer zu sagen. Sexuell geht es im Berghain jedenfalls weniger progressiv zur Sache. Im Darkroom ist es wie in Zürich eng und stockdunkel, und im hellen gibt man sich eher apathisch abgespaced als sexuell erregt. Das Berghain ist eine Klasse für sich. Minimal. Hart. Kompromisslos. Trotzdem fehlt mir in diesem Club irgendwie der emotionale Wohlfühlfaktor, aber wer dort jede Woche ein und aus geht, wird sich wohl auch im Beton einkuscheln können.