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22.12.2006

BjoernSunshine

Rückblick 2006, 05, 04, ...

Hallo Jungs + Mädels

Ein ereignisreiches Jahr geht nun zu Ende. Da gab es einige Highlights, aber auch Enttäuschungen. Anderthalb Jahre nachdem am 6.6.2005 das Partnerschaftsgesetz vom Schweizer Volk angenommen wurde, haben wir in der Gleichstellung viel erreicht und in wenigen Tagen können die ersten Partnerschaften eingetragen werden.

Eine schöne Überraschung aus Zürcher Sicht war am 8.10.2006 die Zuteilung der Europride 2009. Doch sehe ich dem Anlass mit gemischten Gefühlen entgegen.

+ Null Sex

Das Jahr '06 steht nämlich auch für Null Sex und für einen unvergleichlichen Niedergang der einst so tollen Zürcher Gaypartyszene und für ein Auseinanderfallen der Schwulen Szene überhaupt. Die Jungs unter euch, die zusammen mit uns die letzten Jahre erlebt haben, wissen, wovon ich spreche. Wer nicht dabei war, findet unsere Bilder im Backflash.

Was ich meine, sind die unbeschwerten und ausgelassenen Parties im alten Aera oder Laby, wo es manchmal so heiss und eng war, dass es von der Decke tropfte. Wo man noch mitten auf dem Dancefloor einen blasen konnte, und wo im Chillout unmittelbar nebeneinander Leute wichsten und über Gott und die Welt philosophierten. Wo Jungs in zerrissenen Jeans, in Leder oder Gummi, nackt, in Underwear oder als Dragqueen miteinander feierten, denn schliesslich waren wir alle schwul und gehörten zusammen. Und selbstverständlich akzeptierte jeder den anderen wie er war...

+ Toleranz und Diskretion

Auch wenn seit 9/11 niemand mehr an den Weltfrieden glaubt - in der Zürcher Szene war die Welt noch in Ordnung, und Toleranz hiess das Zauberwort. Toleranz und Diskretion. Denn Diskretion war immer eine herausragende Eigenschaft der Bankenmetropole. Obwohl der Schweizer an und für sich schon immer ein misstrauischer Kleinbürger war, liebte er auch immer seine eigene Freiheit und Unabhängigkeit. Als neutrales Land wollen wir Schweizer uns von niemandem Vorschriften machen lassen und im Gegenzug redeten wir auch niemandem drein. Die Privatsphäre war den Schweizern immer so heilig wie das Bankgeheimnis. So konnte sich im Untergrund einer kleinen Stadt mit weniger als einer halben Million Einwohnern eine schwule Partyszene von Weltruhm entwickeln. Und während der Zürcher Bürger seine Geranien pflegte, zelebrierten wir die schwule Lebensweise und alle waren glücklich.

+ Angst und Schrecken

Dann schwappten jedoch die amerikanischen Terrorängste über den grossen Teich und auch hierzulande merkten die Medien und Politiker, dass sich mit Angst und Schrecken viel besser Kohle machen lässt, als mit einhelligem Zusammensein. Die Politik lernte die Mittel der Polemik und beerdigte die Konkordanz. Man suchte nach neuen Feindbildern. Die Zeitungsredaktionen wurden angewiesen, Schlagzeilen zu machen und die Inserenten bestimmten fortan, was (nicht) geschrieben wurde. Plötzlich war von Sex und Drogen in der Schwulenszene zu lesen, und jeder Zürcher sah sich an den Platzspitz und die dahinsiechenden Heroin-Junkies erinnert.

+ Nulltoleranz

Dann kam die Geburt des Unwortes des Jahrtausends: Nulltoleranz. Für den kleinen Bürger, der immer brav Steuern zahlte, aber nie wirklich Grosses erlebte und nun zusehen musste, wie Terroristen unser Leben und Islamisten unsere Kultur bedrohen, Top-Manager Geld abzocken, Vandalen unseren Lack ankratzen, überall die Qualität abnimmt und trotzdem alles teurer wird, tönte das Wort wie süsse Rache. Endlich konnte man es den Sozialschmarotzern heimzahlen. Die Schlupflöcher sollten geschlossen werden. Nulltoleranz gegenüber allen Feinden der Geranie! - Ausländer raus, Alkies raus, Junkies raus, Schwule...?

Naja, nun steht es ja in der Verfassung und "Schwule raus!" darf man nicht mehr rufen. Aber dafür sollen sich die Schwulen wenigstens wie anständige Heteros benehmen. Und dass eine gleichberechtigte Bevölkerungsgruppe mehr Spass und Sex hat als die Anderen, kommt schon gar nicht in Frage!

Die erste Welle der Nulltoleranz traf die Autofahrer. Denn wer von A nach B muss und nicht mit 16 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit im Tram dahinzuckelt, gehört zu den grössten Feinden der Geranie! Die Zürcher Polizei rüstete sich mit Blitz und Lasern zum Kampf.

+ Fehler suchen

Mittlerweile hatten Herr und Frau Zürcher gelernt die Diskretion zu vergessen und mit viel Akribie beim Nachbarn nach Fehlern zu suchen. Und dank Nulltoleranz ist bei fast jedem etwas zu finden. Tupperware war plötzlich out - Anzeigen und Einsprachen einzureichen war viel spannender. Und so hagelte es Anzeigen und Einsprachen gegen Parkplätze, Hochhäuser, Einkaufszentren, Minarette, Fussballstadien, Strassenfeste, Skaterparks und natürlich auch gegen Partyclubs. Und pflichtbewusst begannen die Behörden ihre Arbeit, und die Polizei setzte die Vergehen des kleinen Mannes zuoberst auf ihre Pendenzenliste.

+ Sex und Gewalt

Genau dann trafen zwei weitere Schlagzeilen das aufgewühlte Kleinbürgerherz: Die Vergewaltigungen von Rhäzüns und Seebach und die ansteigende HIV-Infektionsquote der Schwulen. Für den Kleinbürger war nun sonnenklar: Die sexuelle Freizügigkeit der 70er hatte versagt. Maria war schliesslich eine Jungfrau. Sex kommt in Wahrheit aus der Hölle und führt zusammen mit Subkultur, Internet und Drogen zu moralischem Verfall, sozialem Elend und Gewalt. Also gehört alles Böse verboten! Ruhe und Ordnung muss wieder her! Die jungen Leute sollen in die Kirche zu gehen und nicht an wilde Parties. Die Polizei kam den Forderungen nach: Razzias in Partyclubs und Personenkontrollen bis unter die Genitalien sollen die abtrünnige Partyszene zermürben und zum Bünzlitum bekehren.

+ Normal sein

Aber auch in der Gayszene selbst fand ein Wandel statt. Im Abstimmungskampf hatte man uns lange gepredigt, die schrillen Kostüme zu verstecken und so normal wie möglich zu erscheinen. Eine neue Generation der Schwulen gab sich denn auch normaler als jeder Normalbürger. Schwul sein war normal, aber tuntig zu sein war nun eine Katastrophe. Mit der Anerkennung unserer Lebensform verschwand der gemeinsame Feind. Gays konnten endlich auch an Heteroparties gehen. So wanderten den schwulen Klubs die ersten Gäste ab. Die Veranstalter reagierten, passten die Gayparties dem Mainstream an, putzten die schmuddligen Ecken, richteten die Werbung auf Hetis aus und füllten die Klubs mit Handtäschchen schwindenden Tussies, was dann auch noch die restlichen Gays verärgerte. Das Aera machte dicht. Im Clublokal fanden nun Heteroparties statt. Dann zügelte das Laby und eröffnete im März 2006 als sterilisierter Schicki-Micki-Tempel ohne jede schwule Erotik. Die beste Szene der Welt verstreute sich in alle Winde. Die Street Parade Zürich fand zum ersten Mal ohne schwules Lovemobil statt und endete fast ohne illegale Drogen in einer gesetzeskonformen Sauferei.

+ Lichtblicke

Ein paar Lichtblicke boten die Parties von Angels, Be-Yourself und Shaft. Auch im Laby hat sich die Einrichtung sehr verbessert, die Veranstalter geben sich Mühe und die Stimmung ist nicht schlecht. Aber mit nur einem guten Event im Monat und dem dauernden Gefühl, überwacht und verfolgt zu werden, bröckelt die Szene weiter dahin. Mittlerweile ist Zürich wieder europäisches Mittelmass. Die Feuerpolizei verhindert das Gedränge nackter Oberkörper, die Drogenpolizei fördert den Alkoholkonsum, die Sittenpolizei bemüht sich um die Abschaffung der letzten Darkrooms, und vor den Vorhängen sorgte ja schon länger die Security im Auftrag der eingeschüchterten Veranstalter für sittenkonforme tote Hose.

Die jungen Schwulen haben unsere Parties nie erlebt und vermissen sie auch nicht. Und wir? Wir haben jetzt Home-Cinema mit Beamer und bald ein neues Designersofa. Und einmal im Jahr nehmen wir den Sound der Zürcher DJs mit ins Flugzeug, düsen nach London oder Brüssel und träumen von Zürich Anno dazumal...

Naja, vielleicht haben wir ja auch Glück und treffen per Zufall an Silvester auf eine Party ohne Razzia.

Eure Ex-Partyschlampe
Kjell

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BjoernSunshine
 Hallo Torsten

Natürlich hast du Recht. Parties sind nicht der Mittelpunkt des Lebens. Aber es war immer eines der schönsten Elemente des Schwulseins. Wenn man die schwulen Parties und den Sex weg lässt, bleiben noch die "normalen" Beschäftigungen wie z.B. Tennis spielen, ins Kino oder Essen gehen, Bier trinken oder zu Hause mit Kollegen TV schauen... Dafür brauchte man sich noch nie als Schwuler zu outen.

Ich habe nie darum gekämpft, als Schwuler "normal" sein zu dürfen, sondern darum, dass man mich als Gay auch schwul sein lässt. Wer ein schwules Leben führt, muss schliesslich immer noch Nachteile in Kauf nehmen: z.B. kann man nie eine Familie gründen und Kinder haben. Da will ich mir eben wenigstens die Parties nicht nehmen lassen.

Wir haben zwar endlich ein Partnerschaftsgesetz, aber die Gesellschaft akzeptiert uns nur dann, wenn wir uns ihrem Begriff von Normalität anpassen. Also genau so leben wie Heterofamilien ohne Kinder. Ich persönlich stehe zwar nicht auf Frauenkleider usw., aber ich finde es sehr schade, dass der Aufruf "schwul=normal" dazu geführt hat, dass die Gaycommunity so viel von Ihrer Farbigkeit verloren hat. Es laufen fast alle nur noch "normal" rum. Schillernde Paradiesvögel sind unter den Schweizer Gays praktisch ausgestorben. Und wenn man im Sommer am Zürcher Utoquai mal einen fantasievoll gestylten Typen sieht, ist es zu 90%iger Sicherheit ein Jugo der auf Frauen steht.

Sicher ist es wichtig, dass wir das Partnerschaftsgesetz erreicht haben. Aber wir haben dafür den Regenbogen verkauft und das finde ich äusserst bedauerlich.

Gruss
Kjell17 years ago
saurus
 Ich finde es ein wenig engstirnig davon auszugehen das Schwulsein nur mit Parties, Drogen und Sex zu tun hat. Klar, bin ich stolz darauf schwul zu sein und habe sicherlich auch mehr Sex als die durchschnittliche Hetenbevölkerung. Doch das heisst nicht das ein Partyszenen Verfall etwas mit dem Verfall der schwulen Gemeinschaft hat.

Ist es nicht sogar so, das wir immer für Schwul=Normal gekämpft haben? Warum ist es dann so schlimm, das für unsere Lebensform immer mehr Normalität eintritt? Sicherlich gibt es noch Bereiche die Aufholbedarf haben. Insgesamt können wir stolz sein auf das was wir an Akzeptanz erreicht haben.

Also lasst uns vorwärts schauen und an das erreichte Denken um mit Kraft weiter für unsere Rechte kämpfen.

Ciao, Torsten17 years ago

 

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