BjoernSunshine
90 Tage Anarchie in Zürich?
Der Polizeibeamtenverband der Stadt Zürich (PBV) will gemäss einem Communiqué aus Protest gegen die verweigerte Budgeterhöhung 90 Tage lang keine Ordnungsbussen mehr verteilen. Die Polizisten fordern mit dieser Kampfmassnahme bessere Anstellungsbedingungen und mehr Personal.
Ordnungsbussen gibt es im Strassenverkehr von Parkzeitüberschreitung bis Überfahren des Rotlichts (SR Bussenliste). Es gibt aber auch eine Verordnung über das kantonalrechtliche Ordnungsbussenverfahren, worin z.B. die Bussen für das "Nichtanleinen von Hunden auf Friedhöfen" oder das "Vernachlässigen von Ordnung und guter Sitte im Gastwirtschaftsbetrieb" geregelt sind. Letzteres wurde eine Zeit lang als Verbot nackter Jungs an Gaypartys ausgelegt. Dann gibt es auch noch die Allgemeine Polizeiverordnung der Stadt Zürich mit Bussen wegen falschem Plakatieren, Campieren, Baden usw.
Drohen uns nun 90 Tage Anarchie? Werden Autos über alle Rotlichter rasen? Werden Leute ihren Müll auf die Parkwiesen kippen? Werden Kellner in die Salatsauce urinieren? Werden Chinesische Touristen an der Seepromenade Hunde grillen? Oder bricht das Paradies aus, weil man endlich ungestraft stundenlang parkieren, nächtelang laut Party feiern, oder nackt durch die Stadt tanzen kann?
Die Stadt, die pro Jahr rund 70 Millionen Ordnungsbussen kassiert, wird sich über die ausbleibenden Einnahmen sicher ärgern, denn Städtische Pingeligkeit ist eine Geldmaschine. Aber auch einige Rechtspopulisten würden sich freuen, wenn ihnen hirnlose Anarchisten, welche die vermeintliche Freiheit allzusehr strapazieren, die besten Argumente für die Notwendigkeit einer Polizeiaufstockung liefern.
Erst kürzlich wurde gemeldet, dass die Kriminalität in Zürich stark gesunken ist. Insbesondere die Jugendkriminalität, die häufig Schlagzeilen machte, ist im letzten Jahr zurück gegangen. Trotzdem forderte die Polizei mehr Personal, die bürgerliche Mehrheit im Zürcher Parlament verweigerte jedoch den dazu nötigen Budgetposten.
Wenn man bedenkt, dass in einer vergleichsweise friedlichen Stadt 50 Beamte gleichzeitig ein Tram stürmen, um 1-2 Falschfahrer zu überführen, dass am Sonntagmorgen in Stadtteilen mit Partygästen dutzende Kastenwagen patrouillieren, dass eine unbekannte aber gefühlsmässig immense Anzahl Politessen hinter jeder Parkuhr lauert, könnte man auch den Eindruck gewinnen, dass der angebliche Personalmangel durch falsche Prioritäten hausgemacht ist.
Zürich braucht bei abnehmender Kriminalität sicher nicht mehr Polizei. Doch kürzen sollte man nicht den Beamten ihre Lunchchecks, sondern lieber einige überflüssige Verordnungen. Und die Polizei sollte ihr Peronal vermehrt dort einsetzen, wo es gebraucht wird: Zum Schutz des Volkes und nicht um es mit Pingeligkeit zu ärgern.
Wenn es ab dem 15.April nun drei Monate lang keine Bussen gibt, ist das keine Gelegenheit zur Anarchie sondern die Gelegenheit, der Stadt zu zeigen, dass wir auch mit etwas weniger Bevormundung nett zueinander sein können.