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12.08.2013

BjoernSunshine

Freedom under Attack

Nach den turbulenten Ereignissen an der Street Parade schulde ich euch ein Feedback:

Das Freedom-Experiment
Ich habe das Experiment gewagt und die Street Parade unter dem diesjährigen Motto "Dance for Freedom" grösstenteils NACKT abgetanzt. Dabei zeigte mir das 22-jährige Zürcher Stadtfest seine schönsten und seine hässlichsten Seiten. Aber der Reihe nach:

Im Gegensatz zu früheren Paraden mit aufwändig genähten Kostümen hatten wir dieses Jahr nichts als einen goldenen Schriftzug "FREEDOM" auf der Brust. Und trotzdem wollten fast alle von uns Fotos machen. Am Start der Parade kam sogar ein Fernsehteam von Tele Züri um mich zu interviewen, warum wir uns ausgerechnet das Wort FREIHEIT auf die Brust schreiben. Sind wir wirklich die Einzigen, denen dieses Wort so viel bedeutet?

Beim Bellevueplatz erlebten wir dann die erste Aggression. Hätte ich es als Warnung auffassen müssen? Ein junger Italiener brannte mir seine Zigi in den Rücken. Ich dachte zuerst an ein Versehen und reagierte nicht weiter. Dann folgte die verbale Pöbelei. Und als ich auch darauf auch nicht einging, schlug er meinem Freund die Faust ins Gesicht. Seine beiden Tussis im Gefolge keiften ihm Beifall. Da wir uns von ein paar besoffenen Teenies nicht den Tag verderben lassen wollten, ignorierten wir den Vorfall und machten ein paar Schritte vorwärts in die Menge.

Auf der Quaibrücke war die Stimmung wieder happy und ausgelassen, und ich wagte das Freiheits-Experiment ohne Badehose. Von nun an stand ich schwanzwedelnd im Mittelpunkt der Begeisterung und konnte erstmals nachvollziehen, wie sich Justin Bieber auf der Bühne vorkommen muss. Die Girls kreischten und jubilierten und ich musste Hunderte von Händen abklatschen und für unzählige Fotos posieren. Mit unseren besten Outfits hatten wir niemals so viel Erfolg wie mit einem nackten Pimmel. So tanzten wir denn völlig euphorisch die Parade entlang, umringt von einem Fanclub junger Girls und cooler Raver. Einmal im Leben ein Popstar sein! Wow war das geil!

Der Angriff
Vielleicht war ich etwas zu naiv, die Paraderoute zu verlassen, um - immer noch nackt - beim Getränkestand eine Cola zu holen. Aber nach so viel positivem Feedback hatte ich die Pöbelei vom Bellevue längst vergessen und sah die Welt nur noch durch die rosa Brille. Zuerst realisierte ich gar nicht, was los war, als von hinten Wasser spritze und der Lärmpegel anschwoll. Dann knallte eine Wasserflasche direkt vor mir auf die Bar und spritzte das halbe Personal nass. Ich war noch mit Zahlen beschäftigt, als von Hinten Bierdosen, Steine und Dreck geflogen kamen und die Schwulenhassparolen unüberhörbar wurden. Dann flog eine Bierflasche auf uns zu und traf nicht mich sondern ausgerechnet meinen Freund am Auge. Ich erkannte den Ernst der Lage erst, als ich ihn blutüberstömt einige Meter hinter mir stehen sah. Wir riefen laut nach Polizei, doch die feigen Angreifer hatten sich schon längst in der Menge verdrückt.

Hinter der Center Stage wurde erst mal die Blutung gestillt. Dann, während ich auf dem Weg zum Sanitätsposten noch nach Zeugen und Polizei suchte, wurden wir getrennt. Auf dem Posten sagte man mir nur, dass laufend Gewaltopfer in verschiedene Spitäler gebracht würden, an meinen Freund konnte sich jedoch niemand erinnern. Die Polizei hatte ihn auch nicht gesehen. Per Handy war niemand zu erreichen, nur besetzt, keiner da und Netz überlastet. Erst Stunden später erfuhr ich, dass er im Spital Uster mit sechs Stichen genäht wurde. Die Notaufnahmen der Zürcher Spitäler waren bereits überfüllt. Immerhin - sein Auge ist zum Glück heil geblieben.

Mad Max 4 - der nackte Rächer
Während ich noch überall nach meinem Freund suchte und niemanden erreichen konnte, schwankte mein Gemütszustand unkontrolliert zwischen Panik, Hilflosigkeit und Wut. Ich war wütend auf die Schwulenhasser, wütend darauf, dass solche Leute unseren Traum von Freedom, Tolerance und Respect zerstörten, wütend auf mich, weil wegen meinem leichtsinnigen Freiheits-Experiment mein Freund verletzt wurde. War ich zu weit gegangen? Ist Zürich doch noch nicht reif für echte Freiheit? Doch wo führt das hin, wenn wir uns immer weiter zurückziehen und unser Land ohne Gegenwehr der neuen Hasskultur überlassen?

Betäubt von chaotischen Gefühlen und allem was zu kriegen war, tauchte ich noch einmal nackt in die Masse, diesmal bewusst provokativ, in der Absicht, so die Schwulenhasser wieder zu finden und allein zur Strecke zu bringen. Quasi als schwuler Mad Max ohne Hose. Ich stand dermassen unter Strom und Adrenalin dass ich wahrscheinlich so dumm gewesen wäre, es mit einer ganzen Gruppe Schwulenhasser aufzunehmen, doch zum Glück fand ich sie nicht mehr. Mein Gegenschlag wär wohl mangels Tiefschutz und Kampferfahrung ziemlich in die Hose gegangen.

Was nun?
Was bleibt, ist ein blaues Auge und ein flaues Gefühl. War dieses Erlebnis ein Einzelfall oder ist der Geist der Street Parade bereits tot? Mein Freiheits-Nackt-Experiment hat gezeigt, dass 99% der Street Parade-Zürcher weltoffene, tolerante und freundliche Menschen sind. Aber ein Prozent Hass reicht aus, um Freude und Freiheit zu beenden. Über die ganze Parade erinnere ich mich an fünf Situationen, wo wir von Schwulenhassern angepöbelt wurden und nur an dreien davon war ich nackt. Es reicht heute auch schon, dass man schwul aussieht und seinen Freund umarmt.

Da waren wir in Zürich vor 10 Jahren punkto Toleranz und Akzeptanz schon weiter. Und punkto Nacktsein? Ist Toleranz hier wirklich zu viel verlangt? In London radeln am World Naked Bike Ride jedes Jahr 3000 Menschen nackt quer durch die Innenstadt, ohne abgesperrte Route, mitten im Verkehr. In Deutschland kann man an jedem Baggersee nackt baden. In Frankreich oder Spanien am Meer auch. In der Schweiz ist Nacktsein nicht verboten, aber weil einige Einwanderer aus Osteuropa antiquierte Moralvorstellungen mitgebracht haben, wurden z.B. am FKK-Platz Zürich Katzensee 3 Meter hohe Lattenzäune errichtet, hinter der man die gesetzliche Freiheit nun einkerkert.

In Russland, der Ukraine, in Arabischen und Osteuropäischen Ländern ist Schwulenhass heute weit verbreitet oder sogar wieder auf dem Vormarsch. Was tun wir dagegen? Wir passen uns brav an, krebsen zurück, kleiden uns unauffällig, verzichten auf Küsschen und Umarmung in der Öffentlichkeit, lassen uns freiwillig wieder ins Ghetto stecken. Doch nicht nur in der Öffentlichkeit, sogar an unseren eigenen Partys krebsen wir: Vor 10 Jahren hatte jeder Schwulenclub einen Darkroom und wenn es ein paar Jungs lieber vor dem Vorhang machten, fanden das alle geil. Heute haben fast alle Schwulenpartys Heteroregeln. Da kannst du legal nackt quer durch Zürich tanzen, aber an den meisten Schwulenpartys musst du dich anziehen. Folgt das Angebot nur der Nachfrage, und bin ich tatsächlich der Einzige, der hier etwas vermisst?

Einen Club gibt es in Zürich noch, mit gutem Sound, heissen Typen, freundlicher Security und einigen nackten Schwänzen: Club 696 an der Badenerstrasse 696. Nach dem turbulenten Tag verbrachten wir dort die Partynacht. Schwul, nackt und frei! Danke!

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gaystefan
 echt super, nackt und frei!vor 10 Jahren
eTiger
 Man müsste an der nächsten Streetparade eine ganze Gruppe Nackter sein, die mit Körperaufschriften für Toleranz und gegen Gewalt werben...vor 11 Jahren
nemesis
 cooler auftritt!!!vor 11 Jahren

 

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