BjoernSunshine
Free To Love Neon Party
Schon um 23:15 kamen wir an der Alten Kaserne an. Das heisst an der über 50m langen Eingangsschlange, die quälend langsam vorwärts ging. Die meisten sahen aus wie 16 und mussten dem Türsteher die ID zeigen. Bei uns reichte ein Blick. Und dazu ein strenger Kommentar: "Heute aber nichts ausziehen, das ist keine Gay-Only-Party!"
Ja ja, Mamma! Ich hatte ein wirklich heisses, selbstgenähtes Neon-Outfit mit neongelben Armbändern und passendem Lendenschurz dabei. In den USA würde man mir Dollarnoten ins Höschen stecken - hier muss ich mir noch blöde Sprüche gefallen lassen. Der Zürcher Prüderie zuliebe liess ich also den Lendenschurz an der Garderobe und behielt brav (und etwas murrend) die Jeans an. 10 Minuten später stand ich dann vor dem Pissoir, während mir ein halbes Dutzend junge Girls, die ganz und gar nicht prüde einfach im Männerklo standen, ungeniert beim Pinkeln auf den Pimmel guckten.
Die Tanzfläche war von Anfang an voll, und DJ Ronny Golding aus Köln legte richtig guten Sound auf: happy aber kein Tralala! Wie vermutet war ich im ganzen Club der einzige ohne T-Shirt. Und obwohl Neonfarben schon das letzte Jahr in Mode und überall erhältlich waren, hatten kaum mehr als eine Handvoll Gäste Ihr Outfit dem Partythema angepasst. Zürcher Passivität und Konsumhaltung eben, wie schon an der Angels Kitschparty. Dabei wäre eine Party im UV-Licht doch eine Supergelegenheit für Neon-Bodypaintings, doch niemand traute sich oder kam auf die Idee. Immerhin gab's am Eingang gratis Neonleuchtstäbchen und so kam doch noch etwas vom Thema im Publikum rüber.
Das gemischte Publikum mit grossem Lesbenanteil war voll gut drauf und machte Stimmung. Für unseren Geschmack nur halt ein wenig zu zugeknöpft. Irgendwann hatten dann doch noch drei, vier Jungs der ü30-Generation ihr T-Shirt ausgezogen und als DJ Bobby Bella richtig treibenden, harten Progressive auflegte, fasste ich trotz Veto meines Freundes ("tu das nicht - du weisst doch, dass die in der Kaserne mega prüde sind") meinen ganzen Mut und Leichtsinn zusammen, um die Jeans an der Garderobe abzugeben und doch noch im kompletten sexy Neonoutfit anzutanzen. Statt der erwarteten Rüffel von der Security, die mich netterweise tanzen liessen, erntete ich jede Menge Komplimente junger Partygirls, und einige waren ganz interessiert zu ertasten, was da wohl drunter baumelte...
Ich weiss, "Free to Love" hat gemäss Veranstalter nichts mit "freier Liebe" zu tun, bzw. nur mit platonischer Liebe und nichts mit Sex. Dass schwule Erotik an den Gaypartys der Jungen nicht mehr vorkommt, liegt weniger daran, dass die Jungs von heute von Natur aus prüder wären, als daran, dass ihre primäre Informationsquelle Facebook alles Erotische verteufelt und von ihnen fernhält. Als ich mit ü18 an meine erste Gayparty kam, gab es keine Partywerbung im Internet. Ich kam auf Grund geiler Erzählungen in den Club, sah nackte Jungs und wurde selber geil. Die Werbung machte nicht Facebook sondern mein eigenes Hormonsystem. Und dieses kennt nun mal keine Zensur.
Free to Love ist eine nette Party mit echt guten DJs. Angenehmer und unverkrampfter als viele Hetenpartys aber auch nicht richtig schwul und schon um 5 zu Ende, bevor die erste S-Bahn fährt. Es fehlen halt die "bösen Buben" bzw. das Steak im Fitnessteller. Ich will den Vegetarieren nicht den Salat sauer machen. Esst, was euch schmeckt! Salat ist lecker. Aber irgendwann brauche ich Proteinjunkie einfach doch mein saftiges Steak, und es wurmt mich, dass ich fürs Fleisch heutzutage immer das Restaurant verlassen und zuerst nach Hause fahren muss.