BjoernSunshine
Laby: Church of Extasy
Viele haben das Laby schon totgesagt. Das Führungsteam hatte sich aufgelöst und viele Gäste vermissten neue Konzepte, internationale DJ-Grössen und die gute-wilde-alte Zeit, als noch alles gelebt wurde, was heute streng verboten ist.
Da flattert der neue Flyer ins Haus. Und uns fallen fast die Augen aus dem Kopf: "Church of Extasy" heisst die Party am Street Parade-Wochenende und der Flyer zeigt eine Zunge, die gerade das schöne, runde Labylogo schluckt.
Natürlich gibt es auf der Laby-Homepage eine Erklärung dazu: Die Party ist eine Hommage an den berühmten Limelight-Club in einer ehemaligen Kirche im New York der 80er Jahre "als die Partywelt praktisch grenzenlos und frei von moralischen Vorstellungen war". - Eine Zeit, in der es in Zürich noch nicht einmal illegale Kellerpartys gab, und ich noch zu jung und brav für die Schülerdisco war.
Uns erinnert der Name der Party an ganz andere Zeiten. Nämlich an das Ende der 90er, als Zürich gerade die offene Drogenszene am Letten besiegt hatte, und alle heilfroh darüber waren, dass die neue Jugendbewegung der Technoszene so friedliebend war und es - oh Wunder - an Technopartys niemals zu Schlägereien kam. Der Grund hiess Ecstasy und war der Stoff, der Liebe und Kuschelbedürfnisse weckte und damals viele verklemmte Zürcher zu einer Offenheit und Toleranz bewegte, zu der sie im nüchternen Zustand wohl niemals fähig gewesen wären.
Dürfte man objektiv über Drogen berichten, müsste man sagen, dass unter allen mehr oder minder schädlichen Substanzen, die sich die Menschen seit Adam und Eva zu Gemüte führen, sicher Ecstasy die Liebenswerteste gewesen ist. Das könnte wohl jeder bezeugen, der noch die Partys erlebt hat, als es noch kaum aggressive Koks- und Speednasen, unansprechbar abgehobene Ketiflieger oder sturzbetrunkene ich-finde-keinen-Dealer-Frust-Säufer gab. Ich will hier keine illegalen Drogen beschönigen - was welche Nebenwirkungen hat, könnt ihr auf diversen Präventionsseiten nachlesen. Ich spreche nur von den schönen Stunden, in denen sich wildfremde Menschen einander so offen anvertrauen und hingeben konnten, wie man es sich heute in einer durch Misstrauen, Überregulierungen und Schutzwälle dominierten Gesellschaft kaum mehr vorstellen kann. So gesehen hätte Ecstasy (MDMA) sicherlich eine Hommage verdient.
Aber wie gesagt: Das Zeug ist verboten und definitionsgemäss böse. Und in Politik und Polizei wird sicherlich die Mehrheit kein Wort von dem verstanden haben, was ich oben so leidenschaftlich beschrieben habe, weil sich gegenseitig nackt in den Armen zu liegen, in unserer Gesellschaft mindestens so verpönt ist wie die Orte an denen das damals gelebt wurde. Also feiern wir mit dem Laby einen New Yorker Kirchenclub, der wohl schon geschlossen war, bevor viele von uns das Licht der Welt erblickten. Und hoffen wir, dass sich die Obrigkeit nicht provozieren lässt und den schönen Flyer nicht wiedermal zum Anlass nimmt, alle Gäste einer Eierkontrolle zu unterziehen.